Ein Werkzeugkasten für Verifikation und Fact-Checking
Von Christian Burg und Lilith Teusch
Idee und Überblick
Jeden Tag stehen Journalisten vor der Herausforderung, Informationen schnell und zuverlässig zu überprüfen. "Fake News" - seien es gezielte Propaganda oder aufmerksamkeitsheischende Märchen - sind zu einem für den öffentlichen Diskurs relevanten Problem geworden, wie unter anderem im März 2018 eine Expertenrunde (High Level Group) der Europäischen Kommission feststellte. Zur Unterstützung bei der Verifikation von Fakten existieren bereits zahlreiche für Journalisten anwendungsbereite technische Werkzeuge (Tools). Es mangelt jedoch an einem systematischen Überblick und einer zentralen Sammlung dieser Tools, so lautet das Ergebnis einer Session auf der Konferenz Wissenswerte im Dezember 2017.
Im Rahmen eines Lehrforschungsprojekts des Studienschwerpunkts Datenjournalismus haben wir deshalb eine strukturierte Übersicht über vorhandene Tools zur Verifikation und zum Fact-Checking recherchiert, die Rechercheergebnisse ausgewertet und die ermittelten Tools zu einem leicht zu bedienenen Werkzeugkasten zusammengestellt. Die Anwendbarkeit wurde exemplarisch an zwei Beispielen überprüft.
Vorgehen
Im Zeitraum vom 01.03.18 bis zum 24.06.18 wurde in folgenden Quellen nach Berichten und Hinweisen zu für potenziell nutzbare Werkzeuge für Verifikation und Fact-Checking gesucht:
- Sichtung der Berichterstattung in Fach- und Publikumsmedien
- Recherche in Fachdatenbanken (z. B. Web of Science)
- Internetrecherche (Stichwortsuche in Suchmaschinen, Analyse einschlägiger Fortbildungsplattformen, z.B. FirstDraftNews)
- Befragung von Redakteuren der dpa
- Befragung von Wissenschaftlern des Projekts DORIAN (Fraunhofer SIT).
Die ermittelten Tools wurden auf ihre Erreichbarkeit für Journalisten überprüft. Anschließend haben wir eingeschätzt, inwieweit die Tools für die journalistische Praxis einsetzbar sind.
Für die Analyse und für eine strukturierte Übersicht wurden die erreichbaren und anwendungsbereiten Tools in ein Kategoriensystem einsortiert. Dabei haben wir die Tools zunächst danach geordnet, auf welche Art von Informationen das Tool zur Verfikation anwendbar ist. Zum anderen wurde jedes Tools einer Schwierigkeitsstufe zugeordnet. Zuletzt haben wir die Quelle des Tools einer der folgenden Kategorien zugeordnet: journalistisch - wissenschaftlich - kommerziell - privat.
Lesen Sie hier die detaillierte Legende für unsere Kategorien.
Für eine leicht zu erfassende Übersicht (Tool Box) haben wir zu jedem Tool eine Kurzbeschreibung mit den wichtigsten Merkmalen sowie mögliche Anwendungsgebiete in Form von Schlagworten verfasst.
Ergebnisse
Insgesamt wurden im Recherchezeitraum 35 Tools identifiziert. Eines dieser Tools (izitru) ist inzwischen nicht mehr öffentlich zugänglich und wird entsprechend für die weitere Analyse nicht berücksichtigt.
Die Tools konnten entsprechend der Datentypen, für deren Verifikation sie geeignet sind, in sieben Kategorien eingeordnet werden. Es wurden Tools zu Überprüfung von Bildern, Videos, Texten, Personen, Social-Media-Accounts und -postings sowie allgemeiner Fakten (z. B. Geodaten) ermittelt. Zusätzlich wurde eine Kategorien "Schon gecheckt" eingerichtet, in die Angebote eingeordnet wurden, die bereits verifizierte Informationen bereitstellen, die für eine schnellen Abgleich in der journalistischen Praxis nützlich erscheint. Die meisten Tools wurden dabei für Bild-Daten identifiziert (n=8). Keine anwendungsbereiten Tools haben wir hingegen für die Verifikation von Audio-Daten gefunden.
Tatsächlich scheinen funktionierende Programme, die automatisch Informationen überprüfen, noch wenig verbreitet zu sein. Einen Ansatz, der jedoch nicht exklusiv für Journalisten geschaffen wurde, bietet die Brwosererweiterung B.S. Detector. Verbreitet sind hingegen Datenbanken, in denen Informationen händisch abgefragt und so überprüft werden können (n=7).
Die Mehrheit der von uns ermittelten Tools wurde als einfach zu benutzen eingestuft (n=25). Nur wenige Werkzeuge erfordern eine kürzere (n=8) Einarbeitungszeit, oder gar Programmierkenntnisse wie für Tidytext.
Fazit
Das Angebot an Verifikations-Tools, die für Journalisten nützlich sein können, ist sehr unübersichtlich. Es existiert keine allgemeine Übersicht über alle Verifikation-Tools. Ein Grund dafür ist, dass die Abgrenzung des Begriffs sehr schwierig erscheint. Im vorliegenden Projekt haben wir uns auf für Journalisten allgemein zugängliche Tools beschränkt, die wir zusätzlich einer Einschätzung unterzogen haben, ob sie für die journalistische Praxis nutzbar sind. Diese Einschätzung muss vorerst subjektiv bleiben.
Auffällig ist weiterhin, dass wir für bestimmte Arten von Daten, namentlich Audio-Daten, trotz der Recherche über mehrere Wege keine Tools finden konnten. Ein Grund dafür kann sein, dass die Programme, mit denen Stimmen gefälscht werden können, wie zum Beispiel "Adobe VoCo", noch zu neu sind. Womöglich liefert hier eine Umfrage unter weiteren Fact-Checking-Spezialisten Hinweise auf solche Tools oder Ansätze.
Darüber hinaus sind wir im Rahmen der Recherche auf weitere Werkzeuge gestoßen, die sich noch in der Entwicklung befinden. Ein Beispiel ist Factfox, eine Browsererweiterung, die derzeit von einer kleinen Gruppe von Journalisten von BR24 entwickelt wird. Zudem gibt es wissenschaftliche Ansätze zur Verifikation aktueller Informationen, deren zukünftiger Nutzen für den Journalismus schwer einzuschätzen ist, beispielsweise das Projekt DORIAN des Fraunhofer SIT.
Wir empfehlen deshalb, Tools zur Verifikation und zum Fact-Checking für Journalisten fortlaufend an einer öffentlich zugänglichen, zentralen Stelle zu sammeln. Das vorliegende Projekt liefert dazu einen ersten Ansatz. Zudem erscheint es sinnvoll, die Tools einem einheitlichen Test auf ihre Anwendbarkeit im journalistischen Alltag zu unterziehen. Ein solcher Test muss noch entwickelt werden, was im vorgegebenen Umfang dieses Projekts nicht möglich gewesen ist. Wir konnten jedoch zeigen, dass eine pragmatische Einschätzung zumindest des Schwierigkeitsgrads von Tools leicht möglich ist