Telegram-Projekt

Warum ist Telegram relevant?
Telegram hat bei deutschen Messenger-Nutzer:innen in den vergangenen Jahren deutlich an Reichweite gewonnen. Mittlerweile nutzen rund 11 Prozent der Deutschen den Messenger (vgl. Digital News Report 2022). Doch kursieren dort eine Menge Desinformationen, Hetzbeiträge und Gewaltaufrufe. Gerade im Querdenken-Kontext wird die Plattform genutzt, um sich zu vernetzen.
Mit Desinformationen befassen sich inzwischen unterschiedliche politische Akteur:innen. Die Landesanstalt für Medien NRW schult beispielsweise die Nachrichtenkompetenz der Rezipient:innen und spielt bei der Regulierung von Plattformen eine wichtige Rolle. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Forschende, die gezielte Desinformationen besser verstehen und bekämpfen wollen, und auch Innenministerin Nancy Faeser sagte der Funke Mediengruppe Ende 2021 in Bezug auf Telegram: "Gegen Hetze, Gewalt und Hass im Netz müssen wir entschlossener vorgehen."
Es gibt vermutlich mehrere Gründe, warum Telegram gerade unter Rechtsextremen so beliebt ist. Es gibt dort öffentlich einsehbare Gruppen, in denen es quasi keine Regulierung gibt. Anders als bei anderen Plattformen geht dort niemand gegen Hasskommentare vor. Auch eine Klarnamenpflicht besteht nicht. Bei Telegram können sich rechtsextreme Gruppen problemlos zusammenfinden.
Wieso ist die Recherche auf Telegram wichtig für die Redaktionen?
Journalist:innen sollten die Entwicklungen auf Telegram im Blick haben. Wenn sie wissen, welche Desinformationen gerade durch den Messenger gespült werden, haben sie die Möglichkeit, gegen sie anzuarbeiten. Relevante Bewegungen lassen sich verfolgen, bevor sie sich anderweitig manifestieren, und Akteure, die einen großen Einfluss auf die Meinung und Einstellungen von bestimmten Bevölkerungsgruppen haben, lassen sich dort identifizieren.
Häufig sind die Desinformationen dort zu finden, bevor sie sich auf anderen sozialen Netzwerke ausbreiten. Neben dieser Arbeit ist es ebenfalls interessant, den Ursprung der Nachrichten zu finden. Wer setzt die Hetze in die Welt und was ist die Intention? Wie verbreitet sich eine Falschmeldung? Welche Accounts unterstützen und pushen sich gegenseitig? Wie viele Menschen verfolgen die Meldungen?
Was ist unsere Intention?
Ziel dieser Arbeit ist es, die Recherchestrategien zu den oben genannten Fragen zusammenzufassen. Wir wollen Redaktionen den Arbeitsalltag erleichtern, indem wir ein Tool-Set zusammenstellen, mit dessen Hilfe Journalist:innen (auch ohne tiefergehende Programmierkenntnisse) relevante Rechercheschritte auf Telegram umsetzen können. Je nach Skillset und verfügbaren Ressourcen soll diese Recherche für jede:n Journalist:in so gut wie möglich erleichtert werden.
Deshalb haben wir Arbeitsschritte mit unterschiedlichen Komplexitätsgraden erprobt, die auf den folgenden Seiten näher erläutert werden. Die simple Vorgehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass für sie keine Ressourcen oder umfassende Programmierkenntnisse erforderlich sind. Dafür ist sie stellenweise ungenau und bietet nur einen groben Überblick. Dahingegen stellen wir auf dieser Seite Programmiercode zur Verfügung, mit dem die Daten direkt von Telegram extrahiert und analysiert werden können. Programmierkenntnisse sind hier von Vorteil. Als Mittelweg zwischen simpel und komplex stellen wir zudem verschiedene Online-Tools vor.
Methoden für jedes Szenario
Jede der Methoden hat Vor- und Nachteile - und eignet sich für verschiedene Rechercheziele. Beispielhaft lässt sich das gut an dem Livetracken der Views eines Posts zeigen. Die technisch simpelste Methode ist hier das händische Protokollieren der Viewzahlen. Ein Vorteil ist, dass hier auch die Reaktionen auf Posts direkt mitgeschrieben werden können (in der Grafik: gelbe Kurve). Außerdem braucht es keinerlei technische Kenntnisse. Der Nachteil ist jedoch offensichtlich: Die Methode ist sehr zeitintensiv, und je nachdem, in welchen Zeitintervallen die Viewzahlen überprüft werden, könnte beispielsweise der Moment eines entscheidenden Peaks verpasst werden.

Um nicht selber alle paar Minuten auf den Post schauen zu müssen, beiten sich technische Hilfsmittel an - zum Beispiel ein Scrapingprogramm oder ein kleines Script. Hier sollte regelmäßig überprüft werden, ob das Programm noch läuft, sonst kann es zu Ausfällen kommen - wie in der Grafik sichtbar. Auch kann es je nach Einstellungen dazu kommen, dass die Zahlen nicht genau, sondern nur gerundet ausgelesen werden können. Das kann zu stufenförmigen Kurven führen. Den Scraper zu starten, erfordert ein wenig Übung. Auch die nötige Rechenleistung ist nicht zu unterschätzen.

Die komplizierteste, aber auch sauberste Variante funktioniert über ein Python-Script. Dieses kann im Browser im Hintergrund laufen und lückenlos die Views zählen, bis es beendet wird. Das Einrichten erfordert ein wenig Zeit, um sich mit der Funktionsweise vertraut zu machen. Sobald das allerdings geschafft ist, läuft das Skript zuverlässig. So wäre es beispielsweise auch möglich, mehrere Posts gleichzeitig zu überwachen.

Über dieses Projekt
Die hier vorgestellten Werkzeuge und Strategien für Recherchen von Inhalten auf Telegram entstanden im Rahmen eines Lehrprojekts im Schwerpunkt Datenjournalismus im Studiengang Wissenschaftsjournalismus.
Autorinnen: Marie Gundlach, Stella Hesch
Unterstützung: Frederic Arnold